Una Hajdari hat sich selbst eines Besseren belehrt. „Journalisten sind nicht lustig“, behauptete die Reporterin frech zu Beginn ihrer Präsentation. Nur, um dann direkt das Gegenteil zu beweisen und sich am Ende den Pokal zu holen. Nun darf sich die Kosovarin „Slampion“ nennen: Siegerin des allerersten Reporter Slams, der ausschließlich digital stattfand – und zudem noch auf Englisch.
Das Bosch Alumni Network als Kooperationspartner hat diese doppelte Weltpremiere möglich gemacht. Es vernetzt Tausende aktuelle und ehemalige Stipendiaten der Robert-Bosch-Stiftung aus aller Welt. 1500 von ihnen arbeiten als Journalist*innen. Und drei davon traten nun beim ersten „Online Reporter Slam“ gegeneinander an.
Wie der Name schon sagt, gab es diesmal entscheidende Unterschiede im Format: Die Slammer*innen konnten in Corona-Zeiten erstmals nicht vor Publikum auftreten. Stattdessen saßen sie vor ihren Laptops in verschiedenen Hauptstädten Europas und präsentierten per Livestream unterhaltsame Geschichten, die sie während einer ihrer Recherchen erlebt haben. Und die Zuschauer*innen konnten erstmals nicht per Applaus-Lautstärke vor Ort den Slampion bestimmen. Stattdessen wählten sie am Ende auf der Abstimmungsplattform Slido ihren Favoriten, so dass sich aus der Gesamtzahl der Stimmen die Siegerin ermitteln ließ.
Und wer sind die Reporter*innen, die ins Rennen um den goldenen Pokal gegangen sind? Emily Schultheis stammt aus den USA, lebt aber seit einiger Zeit als freie Journalistin und Stipendiatin des „Institute of Current World Affairs (ICWA) in Berlin. Ihr Themenschwerpunkt ist die wachsende Popularität rechtspopulistischer Parteien, vor allem in Deutschland, aber auch in den Nachbarländern. Und in eines dieser Länder nahm sie ihr Publikum dann auch mit – nach Österreich, wo der ehemalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache von der FPÖ nach diversen Skandalen (Ibiza, Geldtasche) nun an seinem politischen Comeback arbeitet und Bürgermeister von Wien werden will. Schultheis, die per Video aus Wien zugeschaltet war, sieht in der blinden Gefolgschaft vieler Wähler dann auch so manche Parallele zu ihrem Heimatland USA.
Ognyan Georgiev traute sich als nächstes vor die Kamera, von seinem Wohnort Sofia aus, wo der Bulgare als Redakteur für das Wirtschaftsmagazin „Capital“ arbeitet. Seine Bereitschaft zum unterhaltsamen Reporter Slam erklärte er damit, dass er sich selbst gerne zum Narren macht. Aber der eigentliche Narr seiner Geschichte war dann ein Belgier, den es ins bulgarische Bergdorf Leshten verschlagen hat. Eigentlich könnte er dort ein glückliches Leben führen – wenn man ihm nicht regelmäßig die Wasserleitungen blockieren würde. Der Entschluss, in seiner Verzweiflung schließlich das lokale Rathaus zu besetzen, gehört in jedem Fall zur Kategorie „Realsatire“. Und ist damit bei weitem nicht die einzige absurde Geschichte aus der Region, wie „Oggi“ Georgiev bewies.
Last but not least gehörte die digitale Bühne dann Una Hajdari, die sich aus Pristina im Kosovo meldete. Sie hat es geschafft, sich auf dem Balkan mit Berichten über die Fußball-WM 2018 viele Feinde zu machen. Aber nicht, weil sie so wenig Ahnung von Fußball hat. Sondern weil sie kritisch darüber schrieb, dass die kroatische Nationalmannschaft nach dem Vizeweltmeister-Titel die Rückkehr in die Heimat mit einem Konzert von Thompson feierte. Der bekannten Band wird eine Verherrlichung des kroatischen Faschismus vorgeworfen. Una Hajdari wurde für ihre Berichterstattung übelst beschimpft im Netz. Doch eines Tages hörte der Hass plötzlich auf. Sie hatte es geschafft, den Code der Nationalisten zu knacken.
Wer wissen will, wie genau ihr das gelungen ist, muss sich einfach nur den obigen Zusammenschnitt des ersten Online Reporter Slams anschauen. Darin auch zu sehen: die Panne, dass die Internetverbindung während der Live-Übertragung leider für kurze Zeit aus unerfindlichen Gründen abbrach – wofür wir noch einmal beim Publikum um Entschuldigung bitten. Und außerdem im Video: die Weltpremiere der ersten beiden englischsprachigen Songs unserer Reporter-Slam-Hausband „Bommi und Brummi“. Die Titel „German Feuilleton in catastrophic times“ und „Sonnenallee“ haben der Ukulelenbarde Bommi alias Johannes Schneider und sein Bassist Brummi alias Simon Wörpel live gespielt, im International Alumni Center (iac) in Berlin-Mitte, wo auch die Moderation des Slams gefilmt wurde. Andi Weilands Fotos des Abends zeigen den schönen Saal mit dem zwar fehlenden Publikum, aber dennoch mit guter Laune bei den Bühnenakteuren – und bei der Crew von der Video-Agentur Gretchen, die die Live-Übertragung ermöglichte.
Und weil die Zusammenarbeit mit dem iac und dem Bosch Alumni Network so viel Spaß gemacht hat, soll es in naher Zukunft einen weiteren gemeinsamen Slam geben. Ob dann wieder Publikum im Saal zugelassen ist, kann noch niemand vorhersehen. Aber nun wissen wir ja, dass ein Reporter Slam ansonsten auch online funktioniert.