Ninja Priesterjahn wird im ausverkauften Heimathafen Neukölln zu Deutschlands unterhaltsamster Reporterin 2019 gewählt.
„Don’t you forget about me“. Die Liedzeile der Simple Minds steht sinnbildlich für das gesamte Realsatire Reporter Slam Jahresfinale 2019. Denn zum einen war es ein Abend im Heimathafen Neukölln, den die Akteure wirklich nicht mehr vergessen werden. Und zum anderen hatte die neue Jahressiegerin Ninja Priesterjahn diesen Song als romantische Überraschung in ihre Präsentation eingebaut – sie sang den Refrain für ihren Freund, der im Publikum saß und nichts davon ahnte.
Aber der Reihe nach: Wie schon im Vorjahr war der „Slam der Slampions“ auch diesmal wieder Tage vorher ausverkauft. 550 Zuschauer*innen wollten dabei sein, wenn Deutschlands unterhaltsamste*r Journalist*in des Jahres gekürt wird. Allen, die keine Karten mehr bekommen hatten, blieb zumindest eine Alternative: ALEX Berlin TV übertrug die Show live im Fernsehen und weltweit auch über den Web-Stream. Inzwischen ist der gesamte Mitschnitt auch bei YouTube hochgeladen:
Nur paar Kilometer entfernt kürte Florian Silbereisen am gleichen Abend im Velodrom die Schlagerchampions des Jahres. Zwar hatte Silbereisen die prominenteren Gäste auf der Bühne (u.a. Andrea Berg und Roland Kaiser). Doch das Reporter-Slam-Finale konnte mit den besseren Geschichten punkten. Sieben Reporter*innen gingen auf die Bühne und unterhielten das Publikum nacheinander mit den besten Skurrilitäten, die sie bei ihren Recherchen erlebt haben. Alle Sieben hatten im Laufe des Jahres 2019 schon einen der Reporter Slams in ganz Deutschland gewonnen. Nun galt es herauszufinden, wer neuer Slampion aller Slampions wird und damit die Nachfolge von Vorjahressieger Christian Helms antritt.
Juliane Streich aus Leipzig erzählte zu Beginn von ihren Recherchen als Musikjournalistin. Sie brachte viele lustige GIFs mit; sie bewies, dass es im Privatradio schon Fake News gab, deutlich bevor Claas Relotius damit anfing; und sie verriet, welche Fragen man niemals dem Element-of-Crime-Sänger Sven Regener stellen sollte.
Im Programm folgte Marvin Xin Ku, der Gewinner des Henry-Nonsens-Preises in Hamburg. Er hatte sich für VICE als chinesischer Influencer verkleidet, um auf die Berliner Fashion Week zu kommen. Das ging erstaunlich einfach – und was er dann alles erlebte, sorgte für viele Lacher im Heimathafen.
Daniel Sprenger aus Hamburg überraschte das Publikum dann damit, dass auch bei der beliebten Satiresendung extra3 investigativ recherchiert wird. Sprenger zeigte, dass er schon Politiker überfallartig interviewt hat; dass Amtsschimmel unliebsame Gespräche auch mal abrupt abbrechen; und dass Journalisten sich manchmal sogar mit Zahlen auskennen.
Danach kam Julius Betschka auf die Bühne, der König der Alliterationen. Er präsentierte einen rüstigen renitenten Rentner und dessen Kampf gegen die stinksaure SPD-Stadträtin Sabine Smentek. Dieser skandalöse Striche-Streit auf einem Kinderbauernhof im Wedding ist bis heute eine der skurrilsten Possen, die Berlin jemals geliefert hat.
Nach der Pause berührte dann die spätere Siegerin Ninja Priesterjahn die Zuschauer mit der Geschichte vom ältesten Hertha-BSC-Fan. 80 Jahre lang ging Hermann Möws ins Stadion, nie konnte er eine Deutsche Meisterschaft feiern, Geld für die Vereinsmitgliedschaft hatte er auch nicht. Doch im hohen Alter von 102 Jahren machte Hertha ihn dann zum Ehrenmitglied – und Ninja Priesterjahn nun zum Reporter Slampion 2019.
Cornelius Pollmer, der als Korrespondent für die Süddeutsche Zeitung von Leipzig aus arbeitet, gab seinem anschließenden Auftritt den schönen Titel „Frühlingserbrechen. Über Alkohol bei der Arbeit. Ein Rauschangriff.“ Mutiges Thema, für eine Kultuveranstaltung. Doch Pollmer sagte, er habe sich dafür entschieden, weil er am Eingang „in viele einfache Gesichter geblickt“ habe. Das Publikum lachte laut, bei dieser Pointe und auch bei vielen weiteren während Pollmers bebildeter Zugfahrt zum Spring Break in Kroatien.
Zum Schluss trat ein Mann auf, der im November den Slam in einem Gasthaus in München gewonnen hatte, obwohl er selbst ein „Saupreiß“ ist und in Hamburg für die ZEIT arbeitet: Bastian Berbner. Wie er das geschafft hat? Mit bewegenden Geschichten gegen den Hass, die auch in Berlin für soviel gespannte Ruhe im Saal sorgten, dass man eine Stecknadel fallen hören konnte.
Das war bei der Schlussabstimmung dann wieder deutlich anders. Regelmäßig schlug der Dezibel-Messer weit über 100db aus. Bei Ninja Priesterjahn am lautesten, so dass sie den großen Siegerpokal und die Realsatire-Brille abstauben konnte.
Alle anderen Künstler bekamen zusätzlich zu ihrem Applaus immerhin einen Realsatire-Jutebeutel. Natürlich auch Bommi und Brummi, das Ukulelen-Bass-Duo, das von den Reporter Slams nicht mehr wegzudenken ist. Bei diesem Jahresfinale begeisterten sie mit der neuen Ballade „Mein Umfeld und die Umwelt“ – und mit dem Song „Ich will nicht verzichten“, für den tatsächlich FDP-Chef Christian Lindner den Refrain-Text geliefert hat. Mit einem seiner Tweets.
Bommi und Brummi werden auch bei den nächsten Reporter Slams (19. Februar in Köln und 05. März in Berlin) wieder dabei sein. Eine Sache wird sich dann aber ändern. Die „Realsatire Reporter Slams“ heißen ab jetzt nur noch „Reporter Slams“. Denn es ist ja nicht alles lustig, was Reporter so zu berichten haben. „Realsatire“ wird aber als eigenständiger Satireblog erhalten bleiben. Und den Nutzern sei gesagt: „Don’t you forget about me!“
Zum Schluss noch ein paar Impressionen vom Abend von Andi Weiland: